„Schönes Spiel“
von Willi Nett
„Da bin ich mal gespannt,“ sagte die Schnur vor Beginn des neuen Boulespiels.
„Hat jemand ein Schweinchen?“
„Da hörst du es, ohne mich läuft hier gar nichts.“
Es ist immer dasselbe, zuerst wirft mich einer auf den Platz, dem nächsten gefällt meine Lage nicht und so werfen sie mich solange durch die Gegend bis alle einverstanden sind.
Sie wünschen sich ein „Schönes Spiel“ und fangen sofort an mit schweren Eisenkugeln nach mir zu werfen. Das ist typisch für Rabauken. Das wirst du gleich an ihrem weiteren Vorgehen sehen. Sie nennen das „Taktik“.
Einer nach dem anderen versucht seine Kugel so nah wie möglich an mich ran zu drücken, sie nennen das „legen“, dabei buhlen sie um mich. Gelingt es einem Spieler, dann sollst du mal sehen, was dann los ist. Die Nebenbuhler, die ja schon von Haus aus sehr eifersüchtig sind, versuchen sofort, mich von meinem nächsten Verehrer zu trennen, indem sie ihre schweren Kugeln auf ihn schleudern. Sie nennen das „schießen“ und dazu brauchen sie nicht einmal ein Kanonenrohr. Treffen sie nicht gleich, dann werden sie nervös und probieren es noch einmal. Geht der dritte Versuch auch in die Hose, dann verwandelt sich ihre Nervosität in rasenden Zorn und dieser kulminiert in dem Satz „Schieß die Sau raus!“.
Merkst du was? Wenn sie mich zum anlehnen brauchen, dann bin ich das „Schweinchen“, wollen sie mich los werden, dann bin ich die „Sau“.
Nun beginnt die Schweine-Hatz. Treffen sie mich, was ihnen ganz selten geling, dann fliege ich am liebsten ins Gebüsch, aber immer so, dass sie mich bald wieder finden, denn ich schlafe nicht gern im Freien. Nachdem sie mich nach langem Suchen gefunden haben, freuen sie sich wie kleine Kinder und nennen mich wieder „Schweinchen“. Die gebildeten Spieler nennen mich auch „Cochonet“. Ich freue mich auch rund herum, denn es ist ein schönes Gefühl gebraucht zu werden.
Nun beginn ein neues Spiel. Was da nun abgeht, das geht auf keine Schweinehaut.
Z.B. fallen da die Worte wie:
„Allee!“, „Leg mal eine!“, „Hol sie dir!“, „Mach sie weg!“, „Leg dich drauf!“, „Ich mach erst das Loch zu!“, „Zu kurz!“, „Zu lang!“, „Zu hoch!“, „Zu flach!“ , „Ich geh nach Hause!“. Also ich weiß manchmal nicht wo mir die Kugel steht.
Sehr oft gibt es Unstimmigkeit über den kleinsten Abstand der Kugel zu mir. Dann wird nicht gemessen, sondern sie bilden einen Kreis um mich, beugen sich tief zu mir runter, stecken den Hintern hoch und fangen an die Abstände zu schätzen: „Die hat!“, „Ach was, die hat doch nicht!“, „Die hat!“, „Ich wette, die sind beide gleich.“.
Kommt keine Einigung zustande, so ist es schon vorgekommen, dass einer auf die Idee kam, zu messen. Aber mit was? Keiner hat ein Maßband mit. Zum Glück haben sie einen Architekten in ihren Reihen, der eine tolle Methode entwickelt hat. Er misst mit den Füßen. Er setzt Fuß vor Fuß zwischen die beiden Pole und setzt seine Finger ein. „Genial!“.
Findet sich noch ein Maßband, dann wird richtig gemessen. Einer misst, ein Zweiter misst nach und schlussendlich wird ein Dritter geholt, den sie Schiedsrichter nennen. Der darf dann falsch messen, weil er ja der Schiedsrichter ist. Wäre ich ihrer Sprache mächtig, dann hätte ich denen längst gesagt: „Kommen Zweifel auf, hol das Maßband raus!“ Vielleicht sollten sie das in ihre Satzung aufnehmen. Aber die sind ja so unbeweglich. Schaue ich mir manchmal diese „Kanoniere“ so von unten an, dann denke ich unweigerlich an eine Performance von alten Standuhren mit verbogenen Pendeln.
Oft höre ich die Aufforderung „Leg mal ans Schweinchen!“. Ich habe noch nie gesehen, dass ein Spieler eine Kugel gelegt hat. Es ist zwar schon vorgekommen, dass einer beim Bücken gehustet hat, das war aber schon alles. Ähnlichkeiten mit Federvieh kann man auch ausschließen.
Vielleicht hat man die Kugeln früher, als sie noch nicht rund waren, an mich legen müssen. Das war aber mit der Zeit für diese Faulpelze zu mühsam. Die cleveren Franzosen waren die ersten, die gemerkt haben, dass der Körper, wenn sie rund sind, viel besser rollen und so haben sie eigens zu diesem Zweck Fabriken gebaut und runde Kugeln hergestellt, die noch heute in die ganze Welt verschickt werden. Den bequemen Spielern und Liebhabern eines guten Tropfens kam das sehr entgegen, denn nun konnten sie vom Kreis aus mit einem Glas in der Hand von der Kugel in der anderen Hand die Arbeit machen lassen. Wovon ich dringend abraten möchte, denn es ist schon vorgekommen, dass ein Spieler die Kugel mit dem Glas verwechselte und damit geschossen hat.
Was mit immer noch rätselhaft erscheint, ist die Tatsache, dass man zur Gewinnzahl die „13“ genommen hat. Die Zahl mit dem schlechtesten Ruf. Die haben sogar ein Lied darüber gemacht. Ich erinnere nur an andere berühmte Zahlen wie: „Alle Neune“, „Die sieben Schwaben“, „Die drei Musketiere“ oder „Siebzehn Jahr, blondes Haar“, da kommt Freude auf. Aber die verflixte Dreizehn?
Von großem Interesse ist für mich immer wieder, wenn eine Mannschaft den zwölften Punkt geschafft hat und schon fast am Ziel ist, da entsteht plötzlich eine ganz eigenartige Atmosphäre, denn alle kennen das „zwölfte Loch“. Die Mannschaft, die zurück liegt, nutzt diese Stimmung aus und erwähnt so ganz nebenbei diesen „Magischen Begriff“ und schon ist die führende Mannschaft verunsichert, dass sie große Probleme hat, den letzten Punkt noch zu machen. Oft wird sie sogar noch abgefangen.
Jetzt bin ich schon solange dabei, aber rätselhaft bleibt mir nach wie vor diese geheimnisvolle „Funny“, nach der sie manchmal rufen. Die hätte ich gerne einmal kennen gelernt.
Ein kluger Spieler hat einmal gesagt, man soll beim Spielen nicht denken und das tun sie ja weitgehend auch nicht.
Weisse jetzt Bescheid?
Aber die Schnur hatte sich längst wieder eingerollt.